Mein persönlicher Trauerprozess


Als meine Mama Ende 2017 ihr irdisches, wunderschönes Kleid abgelegt hat und diese Welt verlassen hat, zerbrach ich innerlich. Ich fragte mich ernsthaft, wie ich ohne sie weiter leben solle.

Meine Brust, mein Hals, meine Lungen waren so eng, schnürten mich so zu, dass ich mich ärztlich untersuchen ließ. Ich dachte, nun hab auch ich Krebs.

Heute weiß ich, es war die Trauer um meine Mama.



Die Frau, die die monatliche Trauergruppe im Hospiz leitete, bestärkte mich, das Trauerjahr intensiv zu leben.

Und so nahm ich mir ganz viel Zeit für mich … und Mama. Ich war unzählige Stunden in der Natur, an Plätzen, an denen wir sonst immer gemeinsam waren. Ich weinte und weinte und weinte. Schluchzte, schrie, bekam keine Luft, dachte, ich sterbe ohne sie.

Und irgendwann, nach vielen Wochen, lag ich, wieder mal erschöpft nach langem weinen, unter einem Baum am See. Ein Platz, an dem wir gemeinsam mit ihren Enkeltöchtern, als sie noch klein waren, Pommes gegessen haben.

Und es schmerzte so. Ich blickte in den Himmel, hielt meine Hände auf und flehte nach oben: "Mama, bitte komm wieder zurück. Ich fang dich auch auf." Und sie kam einfach nicht.

Ich schloss meine Augen und die Wärme der Sonne beruhigten mich.

Und dann streichelte mich was in meinem Gesicht. Ich spürte Mamas Hände, ihre Nähe. Öffnete Meine Augen um sicher zu gehen, dass es kein Tierchen war. Nein, war es nicht.

Wieder schloss ich meine Augen und wieder war dieses Streicheln da.


Von da an hatte ich meine Mama wieder, halt nur anders.

Und wenn ich ehrlich bin, viel freier und leichter als zu Lebzeiten. Zu Lebzeiten war noch immer, wenn auch mit den Jahren immer weniger, diese manchmal nervige Mutter-Tochter Verbindung zwischen uns. Sie, die gutmeinende, besserwisserische Mutter, ich die rebellische Tochter.

Sie begegnete mir von da an ständig. Und wenn sie mal nicht da war, konnte ich ihr einfach rufen und sie war - schwubbs, da. Wie praktisch. Ich konnte sie plötzlich um Rat fragen und diesen auch annehmen. Eine ganz neue Erfahrung.

Wir redeten, lachten, tanzten, ich sang und flötete viel für sie, sie lauschte. Und wenn ich weinte, tröstete sie mich.

Ja, ich weinte nach wie vor. 

Noch heute überkommen mich Wellen von tiefer Traurigkeit. Noch heute stehe ich manchmal irgendwo in der Natur mit offenen Armen, Blick in´  Himmel und der Einladung, sie möge doch wieder kommen. Doch es ist kein Flehen mehr, vielmehr ein kindlicher Akt der Sehnsucht. Auch die Abstände der Wellen werden immer größer.

Und ich habe gelernt, mich den Wellen hinzugeben.

Heute begegnen wir uns nur noch selten und wenn dann meist flüchtig.

Sie ist sehr beschäftigt und ich habe einen Weg gefunden, ohne sie zu leben.

Und sie lebt und wirkt in mir. So vieles was ich heute tu, kann ich, weil sie mir einen guten Boden gab, weil sie mir heimlich manch Samen in die Erde steckte, der heute erblüht.

Danke, Mama.



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