Porträt

geschrieben von Janine Lehleiter 

"Mama war mir so nah und ich war so frei": Sie begleitet durch Leben und Tod

Mit Empathie und Fingerspitzengefühl begleitet Theresa Weitzmann Menschen am Ende ihres Lebens und macht Abschiede persönlich und tröstlich.

Der Wintersee liegt still, das Wasser spiegelt den grauen Himmel. Theresa geht rein, spürt die Kälte. Für einen Moment scheint die Welt um sie herum leise zu werden. Seit dem Tod ihrer Mutter ist das Sterben Teil ihres Lebens geworden – und zugleich der Beginn eines neuen Weges.

Heute, mit 44 Jahren, begleitet sie Menschen in der letzten Phase ihres Lebens, hält ihre Geschichten in Reden fest und findet in der Ruhe des Wassers ihre eigene Kraft. Auf die Frage, was sie beruflich macht, antwortet sie: "Ich sage tatsächlich immer: als erstes bin ich Frau", sagt sie, und in diesen Worten klingt sowohl Freude, Stärke als auch Gelassenheit.

Theresa Weitzmann aus dem Raum Bad Saulgau ist stolze Mutter von drei Töchtern und glücklich verheiratet. Neben Familie und Alltag arbeitet sie als Alltagsbegleiterin in einer Wohngemeinschaft für ältere Menschen, als Trauerrednerin, Sterbeamme und seit letztem Jahr auch als Traurednerin.

Ihr Berufsleben begann jedoch anders – als Kosmetikerin in einem Nagelstudio, eher zweckmäßig gewählt und doch passend. Schon immer hat Theresa gern zugehört und hatte mit ihren Kundinnen viel Zeit dafür: "Es war manchmal mehr eine Lebensberatung." Bei der zweiten Schwangerschaft wagte sie sogar den Schritt in die Selbstständigkeit.

2017 begann eine Zeit, die alles in ihrem Leben auf den Kopf stellte: 

Theresas Mama erkrankte an Krebs. Gleichzeitig lebten ihre Oma und Patentante bereits seit Jahren im Pflegeheim. Anfangs waren die Besuche dort schwer zu ertragen, doch mit der Zeit fühlte sie sich immer wohler und merkte: "Ich muss etwas anderes machen, es war alles nicht mehr so stimmig."

Eine Weiterbildung als Betreuungskraft führte sie in eine betreute Wohngemeinschaft. "Das ist eine mega tolle Alternative zum Pflegeheim. Wohnen wie zuhause", sagt sie. Theresa empfindet Ehrfurcht vor dieser Generation: "Sie haben nach dem Krieg ganz Deutschland wieder aufgebaut."

Am 23. Dezember 2017 verstarb ihre Mutter. "Da war das Thema Sterben für meine Familie total präsent und seither sprechen wir alle sehr offen über das Thema." Zusammen mit ihren Geschwistern plante Theresa die Beerdigung, die so besonders und außergewöhnlich war wie ihre Mama – und die Feier hinterließ einen bleibenden Eindruck.

Kurz darauf wurde sie gefragt, ob sie bei einer weiteren Beisetzung "ein paar Worte sagen" könne. 

Wenn sich für mich ein Türchen aufmacht, denke ich automatisch: Das soll wohl so sein und probiere es aus.

Diese Erfahrung öffnete ihr 2020 die Tür zur Arbeit als Trauerrednerin. Mit Homepage und Flyern ausgestattet begann Theresa, Reden für Verstorbene zu gestalten, obwohl sie damals noch nicht gern vor Menschen sprach. Heute steht sie, trotzdem jedes mal etwas aufgeregt, aber selbstsicher mit Freude und Respekt, vor den Gästen.

Theresa beginnt jede Trauerfeier mit einem ausführlichen Vorgespräch, am liebsten dort, wo die verstorbene Person gelebt hat. In dieser Zeit lässt sie sich erzählen, wie die Person war und wie sie gelebt hat – Kindheit, Beruf, Charakter, Ehrenamt, Reisen, Träume, Kraftquellen, Eigenheiten – alles querbeet. "Es ist eine große Trauerarbeit in dem Moment. Da kommen ganz viele Geschichten und Erinnerungen hoch."

Ihre Reden sind erzählerische Geschichten, keine tabellarischen Lebensläufe.Jede Beerdigung ist anders, jede Geschichte einzigartig. 

Dabei ermutigt Theresa Angehörige, das Persönliche einzubringen. Sie erinnert sich etwa an eine kleine Abschiedsfeier: "Da war Zeit, die Urne zu gestalten. Der Verstorbene hat gerne geraucht und Kaffee getrunken. Als Grabbeigabe gab es Tabak und Kaffeepulver."

Theresa denkt offen über den Tod nach: "Für mich ist er ein Übergang ins nächste Leben." Tabuisieren lehnt sie ab und findet, dass auch Kinder ihre Erfahrungen machen dürfen. Der Tod ist für sie zugleich ein Anstoß, bewusst zu leben. Deshalb rät sie, Verantwortung zu übernehmen und frühzeitig alles zu klären – z.B. die eigenen Wünsche zur Bestattung.

Während des Trauerprozesses um ihre Mutter entschied sich Theresa, eine Ausbildung zur Sterbeamme zu machen. "Ich wollte unbedingt mit Sterbenden und deren Angehörigen, zusammen sein." Eine Sterbeamme sei dabei wie die Schwester der Hebamme; beim Sterben brauche es nämlich ähnliche Unterstützung wie bei der Geburt eines Kindes, da viele Situationen ungewohnt und emotional intensiv seien.

Seit letztem Jahr arbeitet Theresa auch als Traurednerin. "Das passt schon zusammen, weil es im Prinzip dasselbe ist – nur mit einem anderen Thema." Während eine Beerdigung ruhig und still ist, sei eine Hochzeit dagegen lebendiger und aufregender. 

Für Theresa ist es eine absolute Ehre, tiefen Einblick in die Geschichten und Familien zu bekommen und dann die Rede halten zu dürfen – ob vor sieben oder 300 Menschen.

Untrennbar mit ihr verbunden ist auch das Winterseebaden, zu dem sie über ihre Mutter kam. In der ersten Zeit nach dem Verlust tat sie vieles, was ihre Mama getan hatte, um ihr irgendwie nah zu sein: Postkarten schreiben, vegan leben, Schwimmen gehen.

Ein Erlebnis prägte sie besonders: Am Grab ihrer Mutter hatte sie das Gefühl, ihre Mama ermutige sie: "Geh in die Sießener Säge und schwimm." Sofort sprang sie ins Wasser des Weihers. "Mama war mir so nah und ich war so frei", sagt sie mit zittriger Stimme. Mittlerweile schwimmt sie täglich in den Schwarzachtalseen in Ertingen – Meditation, Kraftquelle und Me-Time zugleich.

Theresa lebt zwischen Abschied und Neubeginn, zwischen Tod und Liebe.

Zuhören, Begleiten und Erinnern kann eine Lebensaufgabe sein... 

Weitere Einblicke in ihre Arbeit gibt es auf blickweite.net sowie auf Instagram und Facebook @theresa.weitzmann